Immer wieder ließt man im Internet leider, dass Bartagamen ideale Anfängertiere seine. Doch ist das wirklich so? Sind sie wirklich für absolute Anfänger geeignet? Oder ein gutes Haustier für Kinder? Wie viel Vorerfahrung in der Terraristik braucht es?
Gleich vorweg: Nein. Bartagamen sind nicht wirklich für Anfänger geeignet.
In diesem Artikel soll es darum gehen warum das nicht so ist und worauf man achten sollte, wenn man sich trotzdem als Anfänger an diese Tierart wagen will.
Wieso Bartagamen angeblich Anfängertiere sind
Leider werden Bartagamen sehr oft als absolutes Einsteigertier in die Terraristik bezeichnet. Woher kommt diese Aussage?
Sehr robust
Zumindest eine Eigenschaft haben sie, die sie als Anfängertier geeignet erscheinen lässt. Die Tiere sind sehr robust. Als Steppenbewohner sind sie an eine sehr raue Umgebung angepasst und können viel ertragen ehe sie ihr Unbehagen zeigen.
Das ist auch mit ein Grund warum die Tiere oft jahrelang komplett falsch gehalten werden können und dabei noch fit wirken oder sich sogar noch vermehren. Auch im Zoofachhandel, wo meistens nur Jungtiere gehalten werden, sind diese oft absolut unzureichend mit UV Licht, Wärme und der richtigen Ernährung versorgt und wirken auf potentielle Käufer trotzdem gesund und „gut gelaunt“.
Wer erst nach dem Kauf erfährt, dass die eigene Haltung der Tiere nicht artgerecht ist, hat oft Schwierigkeiten sich den Fehlkauf des zu kleinen Terrariums oder der unpassenden Beleuchtung einzugestehen. Immerhin wirken die Tiere ja fit. Aber das täuscht.
Das ist bei Reptilien überhaupt oft so, dass sie, anders wie traditionelle Haustiere, Anzeichen von Krankheit, falscher Haltung und sogar Verletzungen erst sehr spät und oft am Anfang nur ganz schwach zeigen.
Selbst unter widrigsten Bedingungen zeigen Bartagamen erst sehr spät Anzeichen, dass ihnen etwas grundlegendes fehlt. In der Regel leider erst dann, wenn die Schäden bereits irreparabel sind.
Als Beispiel gibt es Berichte von Bartagamen die ohne UV Licht gehalten wurden, an schwerster Rachitis leiden, mit deformierten Kieferknochen, Beinen oder Wirbelsäule, aber immer noch fressen als ob sie top fit wären. Für den erfahrenen Halter auf einen Blick ganz eindeutig ein schwerkrankes Tier, für einen absoluten Anfänger manchmal: „Frisst doch eh brav“.
Billig und einfach zu züchten
Ein anderer Grund warum Bartagamen als Anfängertiere gelten ist, dass sie relativ einfach zu züchten sind und im Handel fast überall recht günstig zu kaufen sind. Das ist ein Problem mit Angebot und Nachfrage.
Weil die Tiere in großer Stückzahl verfügbar sind werden sie billig zum Verkauf angeboten und enden damit oft in den Händen von absoluten Anfängern die von den wahren Kosten der Haltung gar keine Ahnung haben und vielleicht vom Verkäufer sogar noch schlecht oder falsch beraten wurde.
Würde eine Bartagame 300€ kosten würden sich die Leute viel mehr vorab mit dem Thema beschäftigen und merken, dass Beleuchtung, Terrarium und Ernährung womöglich deutlich unterschätzt wurden.
Schon ein einfacher Blick auf den Terrarium-Rechner schreckt Anfänger oft ab wenn sie bemerken, dass die Tiere nicht wie im Zoofachhandel in einem kleinen Terrarium am Regal gehalten werden können, sondern ein richtig großes Terrarium von mindestens 1,5m€ Grundfläche benötigen.
Warum Bartagamen tatsächlich keine Anfängertiere sind
Zunächst mal einen Schritt zurück.
Natürlich kann man als Anfänger Bartagamen halten. ABER!
- Man muss sich intensiv vorab mit dem Thema beschäftigen. Siehe dazu: Für den Einsteiger
- Ein Terrarium braucht viel Platz.
- Beleuchtung und Ernährung sind komplex und dürfen nicht unterschätzt werden.
- Anschaffungskosten und laufende Kosten sind hoch.
- usw
Beleuchtung
Natürlich darf die Beleuchtung der tagaktiven Steppentiere nicht unerwähnt bleiben. Teuer in der Anschaffung und für manche vielleicht kompliziert in der Montage. Dazu wieder laufende Kosten weil UV Lampen ausgetauscht werden müssen.
Eine falsche Beleuchtung ist mit sehr großem Abstand das Hauptproblem bei schlechter Bartagamenhaltung. Hier bitte unbedingt gründlich vorab informieren und planen.
Nichts ist für enthusiastische Einsteiger frustrierender als wenn sie nach den ersten Wochen ihr Terrarium stolz auf Facebook oder sonst wo herzeigen und von erfahrenen Haltern nur negatives Feedback bekommen, weil die teuren Lampen gänzlich unpassend sind. Bitte unbedingt vorab informieren.
Kosten
Das Tier selbst ist der geringste Kostenpunkt. Mit Abstand. Für Terrarium, Beleuchtung, Einrichtung etc. fallen Anschaffungskosten von etwa 600 – 1.200€ an. Für die jährlichen laufenden Kosten etwa nochmal so viel. Eine detaillierte Auflistung und Begründung zu diesen Zahlen findet man hier: Kosten.
Terrarium Größe
1,5 m² Grundfläche für ein Einzeltier klingen für viele zunächst einmal nicht so abschreckend. Dabei sollte man sich das aber im geplanten Zimmer einmal ausmessen.
Dazu kommt eine Höhe von mindestens einem Meter um den Abstand der Lampen einhalten zu können.
Soll das ganze dann noch nicht einfach am Boden stehen sondern irgendwie schön im Raum auf einer angenehmen Höhe kommt da nochmal ein massiver Unterschrank dazu.
Unser Terrarium-Rechner hilft verschiedene Längen und Breiten durchzurechnen. Dann kann man sich ja mal in Ruhe überlegen, ob man überhaupt den nötigen Platz hat und auch bereit ist diesen Platz auf viele, viele Jahre hin dem Terrarium zu widmen.
Ernährung
Zugegeben, Bartagamen fressen so gut wie alles was man ihnen vorsetzt. Man könnte sie vermutlich Jahre lang nur mit Obst und Wachsmaden ernähren bevor die Tiere anzeigen, dass sie daran zugrunde gehen.
Was wohl jedem Anfänger noch klar sein dürfte, ist, dass man bei der Bartagamenhaltung zwangsläufig mit Futterinsekten hantieren muss. Da darf man keine Scheu vor haben.
Dass die Ernährung mit Grünfutter aber wesentlich wichtiger ist und sehr umfangreich gestaltet werden muss ist schon vielen nicht mehr klar. Obst und feuchte Nahrung sind wie Gift für die Tiere. Als Steppenbewohner brauchen sie faseriges und trockenes Grünfutter um ihre Darmflora gesund zu halten.
Das ideale Grünfutter ist sehr abwechslungsreich und wird in der unbelasteten Natur gesammelt. Geeignete Kräuter und faserige Pflanzen findet man mehr als genügend auf unseren Wiesen und in unseren Wäldern. Wenn man denn Zugang zu diesen hat.
Einfach im Supermarkt kaufen ist da nicht immer möglich – und selbst wenn, dann nicht günstig und oft nicht abwechslungsreich genug. Dann muss man oft selbst zu Hause noch Pflanzen nachziehen um die Palette zu ergänzen.
Wir haben hier eine sehr ausführliche Liste mit Pflanzen und Kräutern die geeignet sind.
Temperatur für die Winterruhe
Was leider oft außer Acht gelassen wird ist die notwendige Winterruhe und die richtigen Temperaturen bei denen diese durchgeführt werden muss. 10-15°C sind hier der Richtwert. Existiert ein Ort in dem es im Winter diese Temperaturen hat? Und dabei nicht zu feucht und nass ist (Stichwort alter Keller)? In vielen Wohnungen wird selbst das schon zum Problem.
Bartagamen sind langweilig
Das ist natürlich eine starke Aussage, sollte aber hier in aller Deutlichkeit genau so stehen. Wer sich Bartagamen als aktive, kleine Drachen vorstellt die ständig durchs Terrarium flitzen irrt gewaltig. Als Ansitzjäger sonnen sich die Tiere die meiste Zeit bewegungslos. Bei Futterinsekten jagen sie kurz danach, aber in der Regel ist im Bartagamen Terrarium nicht viel Action zu erwarten. Das enttäuscht viele Anfänger die mit einer falschen Vorstellung an die Haltung gegangen sind.
Fazit
Ich hoffe es ist klar, warum Bartagamen keine Anfängertiere sind. Die genannten Punkte sind natürlich längst nicht vollständig aber sollten zu den wichtigsten Punkten zählen um klar zu machen, warum Bartagamen nicht unbedingt für absolute Anfänger geeignet sind.
Wie eingangs erwähnt aber nochmal der Hinweis: Natürlich kann man auch als Anfänger Bartagamen halten, es setzt aber eine gründliche Vorbereitung voraus.
Unsere Homepage bietet genau dafür viele Informationen, sollte aber bei weitem nicht die einzige Informationsquelle sein. Weitere Internet-Quelle aber auch Literatur empfehlen wir hier: Weiterführende Informationen
Ausdrücklich warnen wollen wir vor Empfehlungen in Zoofachgeschäfte. Aus persönlicher Erfahrung und von unzähligen Berichten können wir nur sehr dringend davon abraten. Hier will man etwas verkaufen und oft wissen es die Verkäufer auch tatsächlich selbst nicht besser. Verkauf und artgerechte Haltung sind zwei paar Schuhe.
Wem die Haltung der Bartagame jetzt zu aufwändig erscheint: Glückwunsch, vermutlich ist das dann der richtige Eindruck und man sollte sich die Haltung nochmal gut überlegen.
Wer sich trotzdem für das Hobby Terraristik interessiert muss nicht verzweifeln. Es gibt viele Alternativen die unserer Meinung wesentlich unkomplizierter in der Haltung sind als Bartagamen.
Manche Eidechsen, Geckos, Schlangen oder sogar nicht-Reptilien Terrarientiere (Vogelspinnen, Insekten etc.) sind wesentlich einfacher und kostengünstiger in der artgerechten Haltung als Bartagamen.
Aber auch hier gilt natürlich: Vorab gründlich informieren und immer mehrere Quellen nutzen.
Eine sehr gute Anlaufstelle ist wie immer das Forum der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V.: https://www.dght-foren.de/